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Alexander Braun: Google-Killer oder teures Pfeifen-im-Walde?

Gerade wurde mit Pauken und Trompeten die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) angekündigt. Mit Superlativen wurde dabei nicht gespart. Man kann nur hoffen, dass diesem ab 2011 (!!) so glorreich startenden Projekt nicht allzu viele Steuermillionen zum Opfer fallen werden.

Gerade wurde mit Pauken und Trompeten die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) angekündigt. Mit Superlativen wurde dabei nicht gespart: so bezeichnete Bernd Neumann das ungelegte Ei bereits als „Jahrhundertprojekt“, einen „Quantensprung in der Welt der digitalen Information“ und eine „angemessene Antwort auf Google“. Man kann nur hoffen, dass diesem ab 2011 (!!) so glorreich startenden Projekt nicht allzu viele Steuermillionen zum Opfer fallen werden. Vor dem Hintergrund ebenso großspurig angekündigter Flops aus nichtkommerzieller Hand wie der Online-Stellenbörse der Arbeitsagentur oder der E-Book-Plattform Libreka des Börsenvereins, kann man gespannt sein. Oder hoffen, dass der Zeitraum bis 2011 groß genug ist, um Verstand über Wunschdenken siegen zu lassen. Doch wer bringt diesen Zustand, der heute emblematisch für die meisten Medienindustrien und -unternehmen ist, treffender auf den Punkt als Clay Shirky:

„Revolutionen führen zu einer merkwürdigen Umkehrung der Wahrnehmung. In normalen Zeiten werden Leute als Pragmatiker bezeichnet, die nichts weiter tun als die Welt um sich herum zu beschreiben, während jene als Radikale bezeichnet werden, die sich unglaubliche alternative Zukunftsszenarien ausmalen. Die letzten paar Jahrzehnte waren jedoch alles andere als normal. In Zeitungen waren die Pragmatiker diejenigen, die einfach aus dem Fenster schauten und feststellten, dass die reale Welt immer mehr Züge bislang unddenkbarer Szenarien annahm. Diese Leute wurden behandelt, als seien sie komplett verrückt geworden. In der Zwischenzeit wurden Leute, die von der Akzeptanz von Walled-Garden-Ansätzen und begeisterter Annahme von Micropayments fabulierten, obwohl diese Visionen nicht durch Fakten gestützt werden können, nicht nur nicht als Scharlatane abgestempelt, sondern als Retter begrüßt.

Wenn die Realität undenkbar wird, entsteht eine Verrottung in Industrien. Führung wird zur Glaubensfrage, während Mitarbeiter, die die Kühnheit besitzen anzumerken, dass sich das, was sich abzuspielen scheint tatsächlich abspielt, in Innovations-Abteilungen abgeschoben werden, wo sie en masse ignoriert werden können. Dieses Verdrängen von Realisten zugunsten von Märchenerzählern hat unterschiedliche Wirkungen auf unterschiedliche Industrien in unterschiedlichen Zeiten. Einer der Effekte in der Zeitungsindustrie ist der, dass viele ihrer passioniertesten Verteidiger bis heute nicht in der Lage sind für eine Welt zu planen, in welcher die Industrie die sie kannten sehenden Auges verschwindet.“

Alexander Braun, früherer Online-Direktor bei der Bertelsmann-Tochter Doubleday Canada, ist Gründer der Bücher-Community quillp.

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