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Simon Geisler: „So far, so good!“ – wie durch Content Marketing Reichweite aufgebaut werden kann

Simon Geisler, Chief Marketing Officer bei Ebner, erklärt, wie durch Content Marketing Reichweite aufgebaut werden kann. Er stellt Monetarisierungskonzepte vor und zeigt wie eine Content-Strategie für mehr Visibility sorgt.

In John Sturges klassischem Western „The Magnificent Seven“ gibt es eine gut zum gegenwärtigen Zustand der Verlags- und Agenturwelt passende Szene. Die Charaktere der beiden Hauptdarsteller Yul Brunner (Glatzkopf) und Steve McQueen (King of Cool) diskutieren fachmännisch den Stand der Arbeiten an den Verteidigungsanlagen des regelmäßig von Banditen heimgesuchten mexikanischen Dorfes. „So far, so good!“ bilanziert zufrieden Glatzkopf Brunner. Woraufhin King of Cool McQueen lakonisch entgegnet, genau das habe der Mann, der aus dem achten Stock sprang, auch bei jedem Stockwerk gesagt, an dem er vorbeikam.

Während also Werbeumsätze weiterhin sinken, Budgets verschoben und umfunktioniert werden und allgemein klassische Medien – und mit ihnen die darin enthaltene Werbung! – an Reichweite und Relevanz verlieren, leisten sich intelligente Leute Diskussionen wie die von JvM-Chef Thomas Strerath in der W&V losgetretene über die angebliche „Content-Lüge“. Während sich diese Debattenstränge aufbauen und verästeln, wird andernorts mit dem angeblich wirkungslosen Content Marketing bereits ordentlich Geld verdient. Nur die, die es angeht, Verlage wie Agenturen, scheinen lieber in Schönheit sterben zu wollen, als am wachsenden Erfolg von Content Marketing zu partizipieren.

Das ist bemerkenswert – sind doch insbesondere Fach- und Special Interest-Verlage in einer beneidenswerten Ausgangslage: Sie sind die geborenen Content Marketer! Oft wissen sie es nur nicht. Warum ist das so?

Fach- und Special Interest-Verlage verfügen oft bereits seit Jahrzehnten über den gewachsenen Zugang zu hochspeziellen Nischenzielgruppen, deren komplexe Interessen ansonsten meist nur eingeschränkt mit qualifiziertem Inhalt angemessen adressiert werden. Diese Bedürfnisse wiederum sind sehr präzise definier- und gegenüber denjenigen anderer Zielgruppen abgrenzbar. Es braucht dazu auch keine aufwendigen Marktforschungsaktivitäten mehr. Der kostenlos zugängliche Google-Planer bietet einen hervorragenden Einstieg in die Bedürfniswelt solcher Zielgruppen. Zielgruppen-Zugang bedeutet aber auch: Die Verlage kennen ihre Buyer Personas, auch wenn sie größtenteils noch nicht mit diesem Konzept arbeiten. Sie haben Ihre Zielgruppen schließlich immer schon über Fragen, Interessen und Themen begriffen und entsprechende Inhalte produziert.

Ungenutzter Evergreen-Content

Diese Inhalte sind das unschätzbar wertvolle Asset, das Fach- und Special Interest-Verlage all jenen seit Jahrzehnten voraushaben, die erst noch Publisher werden müssen, weil sie die Notwendigkeit erkannt haben, konventionelle Werbung mit langfristig überzeugendem und Beziehungen aufbauendem Content Marketing zu flankieren. Das Schöne: Bei diesen Inhalten handelt es sich nur zu einem geringen Teil um News mit kurzem Verfallsdatum. Viele dieser Inhalte sind Themen und Fragen gewidmet, die ihrerseits sehr langfristig angelegt und daher dauerhaft von Interesse sind – oft über Jahre. Fach- und Special-Interest-Verlage sind daher immer schon Meister des berühmten „Evergreen-Contents“ – jener Inhalte, die in der Lage sind, über lange Zeit ein ebenso langfristig vorhandenes Interesse der Zielgruppe zu bedienen und hochwertige Traffics zu generieren.

Freilich: Das geht nur digital. Denn dazu braucht es eine Distributionslogik, die sich vollständig von der Fixierung auf klassische (Print) Verlagsprodukte (i.e. Zeitschriften und Magazine) löst. Diese implizieren einen Publishing-Modus der sich am besten mit dem Slogan „Print and Forget“ beschreiben lässt. Was einmal  gedruckt und verschickt und damit  in der Welt ist, wirkt darüber hinaus nicht weiter. So far, so good! Nur wenn man aber die entsprechenden Inhalte formatunabhängig digital vorhält und dies so tut, dass sie online gefunden werden, können diese Inhalte wirken, d.h. Sichtbarkeit und Reichweite erzeugen. Hergebrachte Formate rücken demgegenüber in den Hintergrund. Sie müssen stattdessen bis hinunter zur kleinsten noch sinnhaften Content-Einheit aufgebrochen werden. Denn in jeder dieser Einheiten steckt ein Ansatzpunkt für Kontakt mit der Zielgruppe, der über viele verschiedene Kanäle hergestellt werden kann.

Das bedeutet: Inhalte müssen online sichtbar sein. Dabei geht es nicht um bestimmte Kanäle. Wo immer die Zielgruppe sich bewegt und sucht, muss der Verlag mit Inhalten präsent sein. Das bedeutet: In der Google-Suchmaschine, in den sozialen Medien, auf YouTube, aber auch auf den großen eCommerce-Plattformen und Content-Stores. Denn sowohl soziale Medien wie auch eCommerce-Plattformen sind letztlich nichts anderes als gigantische Suchmaschinen, in denen die Zielgruppen aktiv sind, die man erreichen möchte. Das heißt auch: Content-Produktion allein reicht längst nicht mehr aus. Vielmehr muss die digitale Multichannel-Distribution dieser Inhalte schon bei der Produktion der Inhalte mitgedacht werden. Und allem liegen immer und ausschließlich die Zielgruppe und ihr Interesse zugrunde. Wer Text will, bekommt weiterhin Text. Aber wer lieber ein Video-Tutorial oder einen Podcast möchte, dem sollte dieser Wunsch erfüllt werden. Oder er wird nicht erreicht.

Aufbau von Sichtbarkeit und Reichweite setzt Monetarisierungskonzept voraus

Sinnhaft ist das alles freilich nur, wenn hinter dem Aufbau von Reichweite und Sichtbarkeit von Anfang an ein Monetarisierungkonzept steht. Sprich: Wer damit Geld verdienen will, dass er gefunden, wahrgenommen und rezipiert wird, sollte sich nicht mehr darauf verlassen, dass schon die Inhalte selbst als Produkt ausreichen. Das tun sie in aller Regel nur dann, wenn diese Inhalte selbst so exklusiv und gleichzeitig so nutzwertig sind, dass ein Kunde (online) dafür zahlt. Ehrlicherweise ist das angesichts der heutigen ständigen Verfügbarkeit von Inhalten zu allen nur möglichen Themen immer seltener der Fall. Der Verlag benötigt also alternative Produkte und somit ein anderes Geschäftsmodell. Und hier schließt sich dann auch der Kreis zu denjenigen Unternehmen, die bislang als Noch-nicht-Publisher im Hintertreffen waren, weil sie über  keine Inhalte und auch nicht über die Fähigkeit zu ihrer Produktion verfügten: Produzenten, Vertriebe und Service-Anbieter in den Nischenmärkten der Fach- und Special Interest-Verlage – die angestammten Werbekunden der Verlage. Diese verfügen mit ihren Geschäftsmodellen und Produkten genau über das, was den meisten Verlagen heute noch fehlt: Ein Monetarisierungmodell für die über spezielle Inhalte geschaffene digitale Sichtbarkeit und Reichweite.

Content-Strategie für den Anschub

Was Verlage also brauchen, ist eine Strategie, in welcher ihr Kernprodukt – die Inhalte, der Content – zum Treiber für Sichtbarkeit und Reichweite werden, die wiederum den Verkauf anderer Produkte anschieben. Dies kann das klassische Zeitschriften-Abo sein (weil viele Menschen eben doch gern ein gedrucktes Heft zur Hand nehmen) oder gänzlich andere Dinge: Services, Events wie Kongresse, Messen und Seminare, Merchandise-Artikel, Werkzeuge und Zubehör, der Zugang zu Datenbanken oder sogar die damit generierten Kundendaten selbst (Marktforschung). Im Zentrum dieser Strategie wird nach Lage der Dinge eine digitale Transaktionsschnittstelle zur Zielgruppe stehen, über welche diese Produkte verkauft werden können: Ein Online-Shop. Das wiederum bedeutet in letzter Konsequenz: Aus Fach- und Special Interest-Verlagen werden auf Nischenzielgruppen spezialisierte eCommerce-Unternehmen, die nach allen Regeln der Content Marketing-Kunst ihre Produkte mit Hilfe von nicht-werblichen Inhalten sichtbar machen und auf diese Weise Käufer-Reichweiten aufbauen.

„Helping statt Selling“ ist deshalb der Schlüssel zu so einer Content-getriebenen Marketingstrategie. Denn es geht darum, mittels Content vorab erkannte Fragen und Probleme der jeweiligen Zielgruppe zu adressieren und zu lösen. Aus der Position des Problemlösers heraus wiederum können dann kontextuell relevante, weitergehende Angebote gemacht und mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Verkäufe gewandelt werden. Und dies ist nichts anders als Content Marketing par excellence. Kein überzüchteter, ephemerer „supergeil“-Hype, sondern ernsthafte Ansprache echter Menschen mit reellen Fragen und Interessen. Fach- und Special Interest-Verlage sind in einer idealen Ausgangslage, um sich diese Mechanismen zu eigen zu machen und vom ausgehaltenen Berichterstatter und Begleiter zum echten Marktteilnehmer zu werden. Jetzt ist die Zeit, den Schritt vom herkömmlichen Verlag zum Content Marketing-orientierten Zielgruppen-Dienstleister zu wagen.

So far, so good? Wer Western mag, weiß, wie viele der Magnificent Seven den finalen Showdown überlebt haben. Viele waren es nicht.

Dr. Simon Geisler leitet die Content-Marketing-Agentur des Ebner Verlags (Ulm).

Dieser Artikel wurde in leicht abgewandelter Form auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „CP Monitor – Magazin für Corporate Communications“ (1/16) veröffentlicht.

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