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Michaela G. C. Philipzen: Innovation muss funktionieren – eine digitale Ortsbestimmung

Michaela G. C. Philipzen: Innovation muss funktionieren – eine digitale Ortsbestimmung

Welchen Trends sollen wir folgen? Welche Türen müssen wir unseren Autoren öffnen? Ullstein-Produktionsleiterin Michaela Philipzen stellt die zahlreichen Fragen, die die Verlage beantworten müssen. Eine Antwort heißt Lean Production. – Ein Prolog zum Publishers Forum in Berlin.

von Michaela G. C. Philipzen, Produktionsleitung Ullstein Buchverlage  (Foto: Mirjam Knickriem)

Wo stehen Sie gerade mit Ihrem Unternehmen?
Am Anfang der digitalen Transformation?
Sind Sie schon auf den digitalen Zug aufgesprungen?
Sie stehen mit Ihrem Zug am Bahnhof und schauen erst einmal, was die anderen Züge so machen?
Oder sind Sie bereits angefahren und erfreuen sich bereits steigender E-Book-Umsätze?
Sie führen gerade ein Content-Management-System ein? Dann gehören Sie bald zu der sich glücklich schätzenden Minderheit deutsch-sprachiger Medienhäuser, die ein solches System nutzen!
Vielleicht sind Sie mit Ihrem Zug aber bereits angefahren … und verstehen Ihren Verlagsauftrag ganz anders: Sie wollen da sein, wo der Wettbewerb noch nicht ist? Dann denken Sie in neuen Produktkategorien und Werbekanälen. Sollten Sie sich als ICE der neuen Generation verorten, dann ist auch „P2P“ für Sie kein Fremdwort. Dann ergründen Sie schon heute, welche Möglichkeiten unter anderem auch Wearables oder Smarthome-Anwendungen Ihrem Unternehmen zukünftig bieten. Faszinierend die jüngste Entwicklung des „Magic Mirror“s, einem Spiegel, der die aktuellen Nachrichten, aber auch das Wetter und Ihren Content schon beim Zähneputzen im Bad zum Besten geben wird: Der magische Spiegel.

Michaela Philipzen_c Mirjam Knickriem

Axel Springer hat seine Hausaufgaben gemacht und ist im vergangenen Jahr mit Samsung eine strategische Kooperation eingegangen. Auch wenn Sie kein „Early Mover“ sind und von Anbeginn neue Trends mitmachen, sollten Sie dennoch mit Adlerauge hinschauen, was daraus entsteht. „Upday“ ist ganz sicher erst der Anfang; eine neue personalisierte Nachrichten-App, die jeden Tag Inhalte von vertrauenswürdigen Marken und Bloggern auf das Handy spielt. Vielleicht demnächst auch Leseempfehlungen?

Welchen Trends sollen wir folgen? Können Sie sich auch noch nicht so recht mit Facebooks Instant Articles anfreunden? Das sind Artikel, die schnell mal bei Facebook geladen werden noch bevor sie auf unserer Verlags-Internetseite erscheinen.

Schon verständlich, Ihr Widerstand, aber wenn sich unsere Leser von Facebook, WhatsApp & Co durch den Tag hindurch unterhalten lassen, dann dürfen wir unseren Autoren auch diese Tür nicht verschlossen halten. Ab 12. April steht der Service allen offen. Mehr zum Messenger-Trend finden Sie im Blog von TrendOne.

Ob sich geschlossenen Systeme wie die neue Storytelling-Plattform „Crave“ (s. auch den Crave Romance App Trailer) etablieren werden oder vielleicht eher als Übergangsformat fungieren, bleibt abzuwarten.

Meine These: auch Browser-Bücher, die auf keine versions-abhängigen technischen Hilfsmittel wie Apps und E-Reader angewiesen sind, werden Realität und bedeuten die Zukunft des breiten Lese-Konsums. Der diesjährige Kongress in diese Richtung in San Francisco ist bereits angekündigt Books in Browsers und Peter Brantley wird dazu live auf dem Publishers Forum in Berlin zugeschaltet sein. Schauen Sie hin, was sich dort tut.

Technisch betrachtet stehen längst alle Zeichen auf HTML 5 beziehungsweise semantisch angereichertes XML – aber halten Sie Ihre Inhalte entsprechend vorrätig? Haben Sie die Prozesse skizziert, mit denen Sie Ihre Inhalte vom Entstehen über das Aggregieren über die Logistik schnell und kostenneutral zu Ihrem Kunden bringen werden? Welche Schnittstellen Ihrer Systeme müssen Sie erschließen, um die neuen Prozesse ins Laufen zu bringen und um Sie bei Ihren Entscheidungen zu unterstützen?

Wie können wir aufholen, was wir vielleicht versäumt haben? Holt man sich Rat bei der Generation der Startup-Gründer, so findet Mark Hoffmann, CEO & Co-Founder von Gründerszene, es unumgänglich kleine Business-Units zu formen. Losgelöst vom Verlagsalltag und auch räumlich möglichst weit weg vom täglichen Treiben sollen sie Lösungen erarbeiten und eigenständige Entscheidungen fällen können.
Dies haben bereits viele Häuser auf halbem Weg begonnen umzusetzen und New Business Developments und verwandte Teams aufgebaut. Vorhaben dieser Art bieten eine ideale Spielwiese für alle Abteilungen. So kann es zum Beispiel für die Herstellung ein willkommener Anlass sein, auf Programm-Kollegen zu treffen, die bereit sind unkonventionelle Methoden auszuprobieren. Im neu formierten Zusammenspiel entstehen Synergien: Bei Ullstein haben wir die Gründung unserer digitalen Imprints – Midnight und Forever – als Chance begriffen, auch produktionsseitig neue Pfade zu betreten: Lean Production ist hier das Stichwort, denn Produkte mit geringem Ladenpreis sind nur durch schlanke, maximal automatisierte Herstellungsabläufe wirtschaftlich darstellbar. Konkret bedeutet dies: wiederholbare, technische Prozesse von Maschinen leisten lassen, angefangen beim Manuskript über die E-Produkt- und Druckdaten-Generierung von Inhalt und Umschlag, gespeist mit Produktinformationen aus Ihrem Verlagssystem und Assetmanagement – die Qualitätssicherung der XML-Daten eingeschlossen. Konsequentes API-Publishing eben – und skalierbar auf das traditionelle Verlagsgeschäft.

Lean Production bedeutet auch einen sehr bewusster Umgang mit den begrenzten Personalressourcen: Doppelarbeit vermeiden, z.B. eine Systemlandschaft bauen, in der die Kollegen nicht ein und dieselbe Information mehrfach in verschiedenen Systemen „hacken“ müssen; zu unterbinden, dass Lektoren und Hersteller zu „Datenschubsern“ degradiert werden, weil die ein oder andere Datei immer wieder von verschiedenen Abteilungen angefordert wird obwohl sie längst in einem zentralen Asset-Management für alle verfügbar abgespeichert ist. Wichtig ist, wieder im Sinne der Wertschöpfungskette wertstiftende Arbeitsweisen zu etablieren.

Wo immer Innovationen ihren Anfang nehmen – ob in Ihrem digitalen Kader, der Redaktion oder woanders – versäumen Sie nicht, alle Verlagsdisziplinen, Vertrieb, Marketing, Produktion, Presse, HR und Buchhaltung/Controlling, miteinzubeziehen, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Lassen Sie neue Impulse zu, aber übergeben Sie gleichzeitig die Verantwortung. Erweiterte Kompetenzen sind erforderlich? Bieten Sie Weiterbildung und fördern Engagement. Wagen Sie neue Organisationsformen und stehen eine angstfreie Fehlerkultur ein – Fehler dürfen und müssen sein. Wertschätzen Sie alte Erfahrungen – aber helfen Sie Ihrem Team sie auch beiseite zu lassen und neue zu machen.


Michaela G. C. Philipzen
ist Produktionsleiterin der Ullstein Buchverlage und im Editorial Board des Publishers Forum 2016

Michaela Philipzen ist zusammen mit Dr. Florian Geuppert, CEO Holtzbrinck Digital Content Group, und Claudia Güner, Bereichsleitung Produktionsmanagement Thieme Verlag beim Publishers Forum auf dem Panel „Innovation muss funktionieren“.

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