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Ehrhardt F. Heinold: Der "Minimum Viable Product"-Ansatz

Verlage tendieren bei der Produktentwicklung zur Perfektion. Diesen Habitus haben sie, vollkommen zu Recht, in jahrhundertlanger Auseinandersetzung mit gedruckten Produkten gelernt und verinnerlicht. Bei der Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen ist dieser Habitus jedoch hinderlich, denn hier geht es darum, ein Produkt möglichst schnell in einer lauffähigen Grundform auf dem Markt zu bringen, um es dann in enger Rückkopplung an die Kunden bzw. Nutzer ständig zu perfektionieren. Eine gute Methode für diese Vorgehensweise bietet der Minimum Viable Product-Ansatz.

Die Kernidee des MVP ist eine Weiterentwicklung des Rapid Prototyping und der Prinzipien der agilen Entwicklung: Ziel ist , so schnell wie möglich ein vermarktungsfähiges Produkt zu erstellen. Im Kern soll dieses Produkt die eine zentrale Funktion bieten, die die Kunden überzeugen und zum Kaufen / nutzen bewegen kann. Dieser Minimalismus hat vier Vorteile:
1.    In der Entwicklungsphase kann sich das Team ganz auf diese Kernfunktion konzentrieren und so sehr fokussiert das Produkt entwickeln.
2.    Durch diese Fokussierung werden die Komplexität und damit die Investitionen in Zeit, Personal und Dienstleister reduziert.
3.    Das Produkt kann im Markt viel besser optimiert und ergänzt werden, da die Kunden sich in ihrem Feedback ebenfalls fokussieren werden.
4.    Erweiterungen halten das Produkt frisch und ergeben zudem regelmäßige Erweiterungs- und Update-Optionen, die für das Marketing z.B. in den Appstores ohnehin gebraucht wird.
Verlage haben dieses Minimalismus-Gen nicht in sich: Sie suchen immer die Perfektion, zudem lassen sich Printprodukte oftmals nicht so auf eine Kernfunktion fokussieren. Verlage denken und handeln oft in diesem Modus: Wir bringen gleich die Version 5.0 auf den Markt, den eine 1.0-Version ist uns zu spartanisch, das können wir unseren Kunden nicht zumuten.
Die folgende Grafik zeigt die neue Denkweise anschaulich am Beispiel der Autoentwicklung:

Blog

 

Quelle: The Deming Institute

Deutlich wird er komplett neue Ansatz: Eine Innovation wird als ein evolutionärer Prozess verstanden, bei dem bei jedem Iterationsschritt neue Dimensionen des Produkts entwickelt und erforscht werden. Brant Cooper und Patrick Vlaskovits haben in ihrem Buch „The Lean Entrepreneur“ eine entsprechende Definition für ein MVP gefunden: „Your first MVP will be the first effort to deliver validated value to a known customer. (…) Your minimum viable product is comprised of the least amount of functionality necessary to solve a problem sufficiently such that your customer will engage with your product an even pay for it, if that’s your revenue model.“

Die beiden Herausforderungen: Mindset und Reduktion

Die Arbeit nach dem MVP-Prinzip stellt Verlage vor zwei große Herausforderungen:
•    Das Mindset muss in Richtung „iterative Produktentwicklung“ verändert werden. Es geht zum Start um die Kernfunktionalität, alle weitere Ideen und Begehrlichkeiten müssen sich dem unterordnen. Der Verlag muss die Traute haben, mit einem solchen Basisprodukt an den Markt zugehen, selbstbewusst und mit der Botschaft: Wir haben noch mehr Ideen in der Pipeline, aber jetzt wollen wir mit den Kunden lernen und entwickeln.
•    Das MVP muss minimal sein, aber nicht so minimal, dass es keine Kundenakzeptanz finden kann. Es gilt also, diese Kernfunktion herauszuarbeiten. Schon dies sollte nach dem Prinzipien der agilen Entwicklung und des Design Thinking in engem Feedback mit Kunden erfolgen. Das MVP muss von Beginn an die Kunden begeistern, es muss also voll funktionsfähig sein, den Kundenbedarf genau treffen und trotzdem so minimal wie möglich im Leistungsumfang sein.
Die Arbeit nach dem MVP-Prinzip erfordert also ein neues Denken im Verlag, von der Geschäftsführung bis hin zu Marketing und Vertrieb. Um das zu erreichen, sollte weitere Techniken angewendet werden, die wir in unserer Reihe schon vorgestellt haben:
•    Design Thinking, um in Lösungen zu denken und Kundenbedürfnisse frühzeitig zu beachten
•    Business Modell CANVAS, um alle Aspekte bei der Produktenentwicklung zu beachten
•    Rapid Prototyping und mit agilen Methoden, um von Beginn an agil und iterativ zu konzipieren.

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