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Manuel Bonik: Piraten sind längst nicht besiegt

Manuel Bonik: Piraten sind längst nicht besiegt
Mit der Verhaftung von Kim Schmitz alias Kim Dotcom, dem Betreiber von Megaupload, ist dem FBI ein schwerer Schlag gegen das Piraterieunwesen gelungen. Viele Branchenvertreter werden jubeln. Möglicherweise vorschnell.
Diejenigen werden jubeln, die meinen, dass man bislang juristisch nur gegen Tauschbörsen (P2P) vorgehen konnte – nicht aber gegen die Buchpiraterie auf Filehostern, die technisch wie juristisch völlig andere Konstruktionen sind. Dabei habe ich insbesondere Christian Sprang, den Justitiar des Börsenvereins vor Augen, mit dem ich im September letzten Jahres ja bereits eine Diskussion zum Thema geführt habe (hier zu lesen).
https://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum////welche-vernuenftige-regelung-fehlt-denn.htm?no_cache=1
Allerdings sollte man es mit dem Jubeln nicht übertreiben. Man muss sich nur die eine Tatsache vor Augen führen: Megaupload hat noch ca. 250 Brüder und Schwestern, viele kleinere, aber auch größere, und auf ihnen werden weiterhin im Minutentakt E-Books gepostet.
Interessant ist auch der Vergleich mit dem so vielbejubelten Hochnehmen des Film-Streamhosters kino.to im letzten Jahr: Innerhalb weniger Tage waren zwei Nachfolge-Plattformen online, deren Traffic den von kino.to in kürzester Zeit überschritt – auch, weil die Aktion nochmals kräftig Werbung für das Prinzip des Streamhostings gemacht hat. Einen mindestens sechsstelligen Eurobetrag zahlte die Rechte-Industrie für diesen Megaflop. Will sagen: Selbst wenn Kim Dotcom verurteilt werden sollte (wenn, dann wohl wegen Steuerhinterziehung, kaum wegen Buch-Klaus), wird sich der Filehoster-Traffic einfach ein wenig umschichten: Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix.
Ein Gutes hat die Aktion dennoch, nämlich dass die Thematik Filehoster-Piraterie unübersehbar in die Schlagzeilen gekommen ist und sie jetzt niemand mehr ignorieren können sollte. Denn genau das wird immer noch in vielen Verlagen getan – die wenigsten haben auch nur einen informatisch (technisch, nicht juristisch!) ausgebildeten Vollzeit-Pirateriebeauftragten. Dies ist umso befremdlicher angesichts auch 2011 wieder geschrumpfter Umsätze. Dass die Umsätze weiter schrumpfen werden, erscheint logisch: Warum sollte es der Verlagsbranche anders gehen als Musik- oder Filmindustrie? (Wer, wie ich, täglich auf Piratenjagd ist und sich mit der Realität des Internets auseinandersetzt, kann übrigens schon jetzt ziemlich genau ansagen, welche Verlage demnächst sehr kleine Brötchen backen werden.)
Wem das hier alles zu orakelhaft klingt, den verweise ich einmal mehr auf unsere Studie „Gutenberg 3.0 – Ebookpiraterie in Deutschland“, die er sich unter http://abuse-search.com/news.html kostenlos herunterladen kann.
Wer die Vorgänge um Megaupload so interpretiert, dass jetzt noch mehr Geld in politische Lobbyarbeit und Prozesse gegen Filehoster gesteckt werden muss, liegt falsch; sollten da eines Jahres mal irgendwelche Erfolge bei herauskommen, wird es sich um Pyrrhus-Siege handeln. Richtig liegt, wer mit eigenem technischen Personal oder durch externe Dienstleister wie unsere Firma – wie man hier Spreu und Weizen unterscheidet, steht auch in unserer Studie – die Links bei den Filehostern beseitigen lässt. Aber, liebe Verleger, bitte nicht erst melden, wenn Sie pleite sind!
Manuel Bonik ist Marketing Director bei der auf Piraterie und Suchmaschinen spezialisierten Unternehmensberatung Lisheennageeha.

Mit der Verhaftung von Kim Schmitz alias Kim Dotcom, dem Betreiber von Megaupload, ist dem FBI ein schwerer Schlag gegen das Piraterieunwesen gelungen. Viele Branchenvertreter werden jubeln. Möglicherweise vorschnell.

Diejenigen werden jubeln, die meinen, dass man bislang juristisch nur gegen Tauschbörsen (P2P) vorgehen konnte – nicht aber gegen die Buchpiraterie auf Filehostern, die technisch wie juristisch völlig andere Konstruktionen sind. Dabei habe ich insbesondere Christian Sprang, den Justitiar des Börsenvereins vor Augen, mit dem ich im September letzten Jahres ja bereits eine Diskussion zum Thema geführt habe (hier zu lesen).

Allerdings sollte man es mit dem Jubeln nicht übertreiben. Man muss sich nur die eine Tatsache vor Augen führen: Megaupload hat noch ca. 250 Brüder und Schwestern, viele kleinere, aber auch größere, und auf ihnen werden weiterhin im Minutentakt E-Books gepostet.

Interessant ist auch der Vergleich mit dem so vielbejubelten Hochnehmen des Film-Streamhosters kino.to im letzten Jahr: Innerhalb weniger Tage waren zwei Nachfolge-Plattformen online, deren Traffic den von kino.to in kürzester Zeit überschritt – auch, weil die Aktion nochmals kräftig Werbung für das Prinzip des Streamhostings gemacht hat. Einen mindestens sechsstelligen Eurobetrag zahlte die Rechte-Industrie für diesen Megaflop. Will sagen: Selbst wenn Kim Dotcom verurteilt werden sollte (wenn, dann wohl wegen Steuerhinterziehung, kaum wegen Buch-Klaus), wird sich der Filehoster-Traffic einfach ein wenig umschichten: Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix.

Ein Gutes hat die Aktion dennoch, nämlich dass die Thematik Filehoster-Piraterie unübersehbar in die Schlagzeilen gekommen ist und sie jetzt niemand mehr ignorieren können sollte. Denn genau das wird immer noch in vielen Verlagen getan – die wenigsten haben auch nur einen informatisch (technisch, nicht juristisch!) ausgebildeten Vollzeit-Pirateriebeauftragten. Dies ist umso befremdlicher angesichts auch 2011 wieder geschrumpfter Umsätze. Dass die Umsätze weiter schrumpfen werden, erscheint logisch: Warum sollte es der Verlagsbranche anders gehen als Musik- oder Filmindustrie? (Wer, wie ich, täglich auf Piratenjagd ist und sich mit der Realität des Internets auseinandersetzt, kann übrigens schon jetzt ziemlich genau ansagen, welche Verlage demnächst sehr kleine Brötchen backen werden.)

Wem das hier alles zu orakelhaft klingt, den verweise ich einmal mehr auf unsere Studie „Gutenberg 3.0 – Ebookpiraterie in Deutschland“, die er sich unter http://abuse-search.com/news.html kostenlos herunterladen kann.

Wer die Vorgänge um Megaupload so interpretiert, dass jetzt noch mehr Geld in politische Lobbyarbeit und Prozesse gegen Filehoster gesteckt werden muss, liegt falsch; sollten da eines Jahres mal irgendwelche Erfolge bei herauskommen, wird es sich um Pyrrhus-Siege handeln. Richtig liegt, wer mit eigenem technischen Personal oder durch externe Dienstleister wie unsere Firma – wie man hier Spreu und Weizen unterscheidet, steht auch in unserer Studie – die Links bei den Filehostern beseitigen lässt. Aber, liebe Verleger, bitte nicht erst melden, wenn Sie pleite sind!

Manuel Bonik ist Marketing Director bei der auf den Schutz vor Piraterie und Copyright-Verletzungen spezialisierten Unternehmensberatung Lisheennageeha.

Kommentare

2 Kommentare zu "Manuel Bonik: Piraten sind längst nicht besiegt"

  1. Sehr geehrter Christian Sprang,

    schön, dass wir unsere Diskussion vom Herbst fortsetzen können. Klar, dass ich da einige andere Meinungen habe, auch wenn wir grundsätzlich natürlich auf derselben Seite stehen.

    1) Erhebliche Kosten: Wieviele sechs- bis siebenstellige Beträge wurden auf juristische Verfahren in diesem Bereich verwendet, und was hat es gebracht oder wird es eines Jahres bringen? Genau.
    Unsere Dienstleistungen im Bereich Notice-and-Downtake-Verfahren kosten drei-bis fünfstellige Beträge, und der Kunde hat einen Monat später Ergebnisse, nämlich weitgehend kein Piraterieproblem mehr.
    Die Frage angemessener Kosten kann natürlich im Verhältnis zum Schaden durch Piraterie gestellt werden. In unserer Studie haben wir ein Rechenbeispiel für die Ersatzrate am Beispiel des Wiley Verlags gebracht und gingen dabei (konservativ) von einem Prozent aus; die Musikindustrie geht vom Zehnfachen aus. Welche Ersatzrate halten denn Sie für realistisch? Alles über einem Prozent spricht erst recht im Preis-Leistungs-Verhältnis für unsere Dienstleistung, alles darunter wirft die Frage auf, ob Piraterie überhaupt ein Problem darstellt (Ladendiebstahl liegt bei ungefähr 1,5 Prozent).
    Können Sie die angeblichen „erheblichen Kosten“ mal quantifizieren?
    Können Sie mal quantifizieren, zu welchen Kosten Sie welche Erfolge erzielt haben?

    2) Nachhaltigkeit: Ja, man muss nachprüfen, ob die Piraten nachposten, und die Links dann wieder runternehmen usw. Aber das ist doch selbstverständlich und gehört zum Service. What’s the problem?

    3) Ja, die Urheberrechtskriminalität ist wohlorganisiert (und zwar international), ganz im Gegensatz zu den Maßnahmen ihrer juristischen Bekämpfer (die nur national agieren dürfen). Unsere Maßnahmen sind international wirksam, sogar noch in Ecken der Welt, wo westliches Recht nicht hinreicht.
    Ein bisschen was könnten die wohlbezahlten Juristen der Bekämpfer ja auch mal tun (wo sie es ohne Probleme tun könnten): Mal die Paymentsysteme (Visa & Co) abstellen, dafür sorgen, dass seriöse Firmen wie libri.de keine Anzeigen mehr bei bekannten Piratenseiten schalten, sich um die eklatanten Copyright-Verletzungen bei Amazon und Ebay kümmern etc. Könnte das nächste Woche mal erledigt werden?

    4) „Bekanntlich bemüht sich der Börsenverein deshalb derzeit intensiv darum auszuloten, welche Möglichkeiten es unter geltendem Recht gibt, direkt an die illegalen Anbieter heranzukommen und deren Treiben nachhaltig zu unterbinden. Dazu in Kürze mehr.“
    Bekanntlich nun wirklich nicht. Aber tatsächlich gibt es unter geltendem Recht (soweit ich darüber als Nichtjurist urteilen kann) da einige Möglichkeiten – sie müssen nur wahrgenommen werden. Ist halt einmal mehr kaum eine technische denn eine juristische Frage, und da die technischen Informationen, wo es um deutsche Verlage geht, meistens von unserer Firma kommen, habe ich sogar eine starke Ahnung, was Sie mit „Dazu in Kürze mehr“ meinen. Ich will nicht in schwebende Verfahren eingreifen, aber gebe mal ein (konstruiertes?) Beispiel: Da gibt es eine Piratenseite in Irland, die den Verlagen extrem viel Ärger macht und ziemlich exklusiv mit einem bestimmten Filehoster zusammenarbeitet, sich also offensichtlich gegen das DMCA verhält. Wir haben auf diese Seite schon vor über einem Jahr hingewiesen, als sie ihre Server noch in Frankfurt am Main stehen hatte und man diese sehr leicht hätte abschalten können. Im Auftrag eines unserer Kunden, eines der größten Verlage der Welt, haben wir uns kundig gemacht, wer was wo betreibt, und nun hätte man diese Seite mal abstellen können. Aber kann es sein, dass dann der Börsenverein ins Spiel kam und die betreffende Seite dann aus der lokalen Zeitschrift erfuhr, dass ein Verfahren gegen sie im Gange ist? Dass sie dann – ein paar Stunden genügen für sowas im Internet – den freien Zugang abgestellt hat und sich nun um so größerer Beliebtheit erfreut?
    Oder das Verfahren gegen einen nicht ganz unbekannten Schweizer Filehoster, das nun schon weit über ein Jahr anhängig ist und außer Kosten wohl nie ein Ergebnis haben wird? Was haben die juristischen Maßnahmen gegen die „Iren“ und gegen die Schweizer gebracht, und zu welchen Kosten?
    „Dazu in Kürze mehr.“ Können Sie da mal eine zeitliche Hausnummer nennen? Tage? Wochen? Monate? Jahre?

    5) SOPA, PIPA, ACTA: Ich bin sehr gespannt, ob diese Acts tatsächlich eines Jahres verabschiedet werden (politisch angesichts von Piratenpartei, Massenprotesten, Milliarden von Downloadern etc. sehr unwahrscheinlich) und noch gespannter, was die Folgen sein werden (da kommen dann wieder die technischen Fragen ins Spiel). Ungefähr so: Vielleicht werden diese Gesetze nach vielen Jahren verabschiedet. Und falls tatsächlich, brauchen die Piraten ungefähr einen halben Tag, um sich auf die neue Lage einzustellen, z. B. indem sie auf russische, chinesische, iranische Server gehen. Und dann?

    6) „Ächtung von Websiten“: Sollen wir Ihnen eine Liste liefern, welche Seiten zu „ächten“ wären? Als Nichtjurist weiß ich nicht, was unter „Ächtung“ zu verstehen ist – erläutern Sie bitte gerne. Aus unserer Sicht ist das Promotion.

  2. I respectfully disagree. Hier sollte nicht togeschwiegen werden, dass der Sinn der Durchführung systematischer Notice-and-downtake-Verfahren unter erheblichen Kosten durch externe Dienstleister nach der Megaupload-Affäre durchaus in Frage steht. Den Berichten in den einschlägigen Online-Medien zufolge hatte nämlich Megaupload dafür Sorge getragen, dass beliebte Inhalte, die aufgrund von Notice-and-Downtake-Verfahren entfernt werden mussten, regelmäßig rasch in Form anderer, inhaltsidentischer Dateien mit neuen Links wieder auftauchten. Ein ähnliches System hatten den Vernehmen nach auch die – inzwischen teilweise verurteilten – organisierten Kriminellen hinter kino.to verwendet. Als Dienstleister, der sich auf Notifizierungsverfahren in großem Stil spezialisiert, muss man sich also schon fragen, wie nachhaltig eigentlich der Beitrag ist, den man für seine Klienten bei der Pirateriebekämpfung erbringt.

    Andererseits ist klar, dass Notice-and-Takedown derzeit das Mittel der Wahl ist, um rasch bestimmte Inhalte aus Internetangeboten zu entfernen. Das Dilemma, das sich jetzt zeigt, ist die Unzulänglichkeit dieses Vorgehens, wenn man es mit organisierter Urheberrechtskriminalität im Internet zu tun hat – und das haben wir leider bei den Anbietern der neueren Generation. Bekanntlich bemüht sich der Börsenverein deshalb derzeit intensiv darum auszuloten, welche Möglichkeiten es unter geltendem Recht gibt, direkt an die illegalen Anbieter heranzukommen und deren Treiben nachhaltig zu unterbinden. Dazu in Kürze mehr.

    Zu hoffen ist daneben, dass nach Abebben der Aufregung um SOPA, PIPA und ACTA die Erkenntnis Raum gewinnt, dass es gesetzgeberische Maßnahmen fernab jeder Internetzensur und jeder Domainsperre gibt, die Urhebern und ihren Verwertungspartnern sehr beim Kampf gegen die sie bedrohenden mafiösen und parasitären Strukturen helfen können. Dies wären eine generelle Neugestaltung der Providerhaftung, die Verantwortlichkeiten dort alloziert, wo sie aufgrund der Einnahmeströme und Bekämpfungsmöglichkeiten im Netz hingehören, und die Einrichtung eines gerichtlichen Eilverfahrens zur Ächtung von Websiten, die bei einer Gesamtbetrachtung überwiegend auf Rechtsverletzungen basieren. Würde sich in rechtsstaatlicher Weise eine Gerichtsentscheidung erlangen lassen, mit der Werbetreibende, Finanzdienstleister und Suchmaschinen dazu gebracht werden könnten, die Zusammenarbeit mit illegalen Internetanbietern zu unterlassen, wäre für die Austrocknung der Quellen organisierter Kriminalität im Internet und den Schutz von Kreativen und ihren Partnern viel getan.

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